(lnp) Abstürzende Monde: Was bei der Kollision der frühen Erde mit ihren Begleitern passierte. Internationales Forscherteam unter Beteiligung der Universität Tübingen simuliert ein mögliches Schicksal der sogenannten Moonlets.
Was geschah mit den anderen Monden?
Der Mond ist unter den Himmelskörpern der einzige natürliche Begleiter der Erde. Seine Entstehung wirft in der astrophysikalischen Forschung noch immer viele Fragen auf. Und möglicherweise war er einst nicht allein: Neueren Untersuchungen zufolge gab es in der Frühzeit der Erde eine Reihe von kleineren Monden, Moonlets genannt, deren Verschwinden ungeklärt ist. Gemeinsam mit seinen Kollegen Dr. Uri Malamud und Professor Hagai Perets vom Technion Israeli Intitute of Technology in Haifa sowie Christoph Burger von der Universität Wien geht Christoph Schäfer vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen der Frage nach, was aus den Moonlets wurde. Ihre aufwendigen Simulationen ergeben, dass sie auf die Erde gestürzt sein und bei der Kollision die Zusammensetzung ihres Mantels verändert haben könnten. Die Studie ist kürzlich in der Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erschienen.
Die Entstehung der Moonlets
Der derzeit anerkannten Theorie zufolge entstand der Mond vor ungefähr 4,5 Milliarden Jahren bei der Kollision der Proto-Erde mit einem marsgroßen Protoplaneten, der Theia genannt wird. Hierbei formte sich zuerst eine Scheibe um die Erde aus dem bei der Kollision ausgeworfenen Material beider Körper. Aus dem Material dieser Scheibe entstand schließlich der Mond. Neue Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Erde höchstwahrscheinlich zum einen nicht nur einer solchen großen, sondern mehreren Kollision ausgesetzt war und zum anderen auch häufig kleinere Einschläge auf der Proto-Erde geschahen. In der Folge entstanden mehrere Moonlets, die nach Annahme der Forscher jeweils etwa ein Sechstel bis zur Hälfte der Mondmasse gehabt haben könnten.
Ihr Schicksal hat das Forscherteam genauer untersucht. „Es gibt zwei Möglichkeiten: Die Moonlets konnten sich unter anderem durch die gegenseitig wirkende Schwerkraft verbinden und größere Objekte bilden oder, so die andere Möglichkeit, durch die Erdanziehung wieder auf die Erde abregnen“, erklärt Christoph Schäfer. „Uns interessierte vor allem diese zweite Möglichkeit.“
Computerprogramm zur Simulation der Kollisionen
Um die Kollisionen der Moonlets mit der Erde zu simulieren, verwendeten die Wissenschaftler ein Computerprogramm, das in der Abteilung Computational Physics am Institut für Astronomie und Astrophysik in der Arbeitsgruppe von Professor Wilhelm Kley unter der Leitung von Christoph Schäfer entwickelt wurde. Die Rechnungen selbst wurden auf dem Tübinger BinAC-Computercluster und dem TAMNUN-Cluster in Israel durchgeführt. Das Computerprogramm der Tübinger Physiker implementiert die numerische Teilchenmethode „smooth particle hydrodynamics“ und nutzt Grafikkarten, um die aufwendigen Rechnungen zu beschleunigen. Christoph Burger vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität in Wien schrieb den Computercode für die komplizierten Anfangsbedingungen, die für die Simulationen benötigt wurden.
Hundert Wochen Rechenzeit
Für ihre Studie gingen die Wissenschaftler von einem vereinfachten Modell der Proto-Erde und dem einfallenden Moonlet aus, wonach beide einen Eisenkern und einen Mantel aus Silikat besaßen. Der Kern vereinte jeweils ein Drittel der Masse auf sich. Die Gruppe führte mehr als 70 Simulationen zu dem Einschlag eines Moonlets auf der Erde durch. Variiert wurden Parameter wie Kollisionswinkel, Größe des Moonlets und die Rotationsgeschwindigkeit der Erde. „Insgesamt benötigten die Berechnungen über 100 Wochen Rechenzeit der Cluster-Grafikkarten“, berichtet Uri Malamud.
Uri Malamud analysierte die Resultate der Simulationen: Er bestimmte, welche Fragmente der Körper nach der Kollision das System verlassen können, welche die Erde in einem gebundenen Orbit umkreisen und welche nach dem Einschlag auf der Erde verbleiben. Darüber hinaus berechnete er die Änderung der Rotationsperiode der Erde durch die Kollision. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass im Falle des Einschlags eines Moonlets auf der Erde die Verteilung des Einschlagsmaterials nicht homogen ist. Diese Art Kollisionen können daher zu Asymmetrien und Inhomogenitäten in der Materialzusammensetzung des Erdmantels führen“, fasst Uri Malamud die Erkenntnisse zusammen. Mit dieser Arbeit fügen die Autoren dem aktuellen Wissen zur Entstehung des Mondes einen weiteren Mosaikstein hinzu und setzen das bestehende Bild in den Kontext der Planetenentstehung im Sonnensystem.
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Quelle: Pressemitteilung der Eberhard Karls Universität Tübingen vom 6. August 2018.
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