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19. Oktober 2024
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Blockupy 2013: Rechtsanwälte erstatten Anzeige u.a. wegen freiheitsentziehenden Maßnahmen

(LNP) Nachdem die Staatsanwaltschaft Frankfurt fast 1000 Ermittlungsverfahren gegen VersammlungsteilneherInnen eingeleitet hat, haben die von der Einkesselung betroffenen Rechtsanwälte durch ihren Rechtsanwalt Paulo Dias zum Jahresende und Jahresanfang wiederum Strafanzeige und Strafanträge gegen die zuständigen Beamten der betroffenen Behörden gestellt.

Am 01.06.2013 fand in Frankfurt am Main eine Versammlung unter dem Motto „Blockupy Frankfurt – Widerstand im Herzen des Europäischen Krisenregimes“ statt. Schon kurz nach Beginn der Demonstration wurden ohne erkennbaren Anlass und ohne Auflösungsverfügung fast 1000 Menschen kollektiv von der Polizei eingekesselt und eine weitere Durchführung der Versammlung damit faktisch verhindert.

Gegen 12:50 Uhr haben sich u.a. die Rechtsanwälte heranstürmenden Polizeibeamten, die u.a. aus nächster Nähe massiv und größtenteils willkürlich mit Reizstoff sprühten, konfrontiert gesehen. Die Beamten kesselten hunderte von Personen ein. Hierunter befanden sich auch mehrere Anwälte. Diese konnten aufgrund der Einkesselung ihre Bewegungsfreiheit über mehrere Stunden nicht mehr frei entfalten.

Eine Überprüfung dieser freiheitsentziehenden Maßnahme durch das zuständige Amtsgericht Frankfurt, wie sie das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aufgrund des schwerwiegenden Eingriffs in das Grundrecht auf Handlungsfreiheit von Amts wegen für notwendig erachten, unterblieb, obwohl der zuständigen Richterin am Amtsgericht Frankfurt und dem Polizeipräsidium Frankfurt durch beauftragte Kollegen der eingekesselten Rechtsanwälte mitgeteilt worden war, dass es keine Durchlassstelle und keinen Durchgang aus dem Kessel gegeben habe.

Die Annahme, dass es möglich gewesen sein soll, den Kessel freiwillig bzw. unter Vorlage der Personalien zu verlassen, ist nicht mit der Realität vor Ort in Einklang zu bringen. Entgegen der Durchsagen der Polizei im Kessel war es über mehrere Stunden nicht möglich, diesen zu verlassen.

Eine Überprüfung der freiheitsentziehenden Maßnahme ist dennoch durch die diensthabende Richterin am Amtsgericht Frankfurt unterblieben.

Paulo Dias dazu: „Es scheint so, dass die diensthabende Richterin am Amtsgericht Frankfurt den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes nicht nachgekommen ist und damit die betroffenen Anwälte über viele Stunden dem schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf Handlungsfreiheit überlassen hat. Rechtsschutz für die Betroffenen durch die Judikative hat augenscheinlich nicht existiert.“

Das Problem einer möglichen Befangenheit der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main bleibt auch bei den vorliegenden Strafanzeigen weiter im Raum. Inwieweit die Staatsanwaltschaft befangen sein könnte, bleibt abzuwarten. Es verwundert aber bereits im Vorfeld sehr, dass fast 1000 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sind, da für die Bejahung eines Anfangsverdachtes zureichende tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich sind. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen konkreter Tatsachen, bloße Vermutungen reichen nicht aus. Woraus die Staatsanwaltschaft bei fast 1000 Personen die geforderten „konkreten“ Tatsachen bei jedem Einzelnen entnimmt, bleibt bislang ein Geheimnis, so Rechtsanwalt Paulo Dias.

Anbei ein Auszug der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Freiheitsentziehungsverfahren:

„In Freiheitsentziehungsverfahren gilt in allen Varianten der Amtsermittlungsgrundsatz. Die Amtsermittlungspflicht folgt aus der Aufgabenzuweisung durch Art. 104 Abs. 2 GG. Hieraus folgt die Kompetenz und Verpflichtung zur Prüfung und Entscheidung von Amts wegen, sobald das Gericht Kenntnis von der Eingriffsmaßnahme hat oder haben kann. Aus diesem Grund darf sich der Richter nicht auf die Überprüfung der Plausibilität der von der Polizei vorgebrachten Gründe beschränken, sondern muss selbst Tatsachen feststellen und prüfen, ob die Freiheitsentziehung begründet und erforderlich ist (BVerfG 58, 208, 220; 63, 317, 321; 83, 24, 34). Auch nach EGMR ist das Gericht von Amts wegen nach Art. 5 Abs. 3 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) zur Überprüfung der Freiheitsentziehung der Sache verpflichtet (NJW 2001, 51, 53).

Ferner ergibt sich aus Art. 19 Abs. 4 GG und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG 40, 276, 286), dass auch die Betroffenen jederzeit einen Antrag auf richterliche Entscheidung stellen können. Dies folgt auch aus Art. 5 Abs. 4 EMRK (EGMR, NJW 2001, 51, 53). Der Antrag kann während des Gewahrsams jederzeit gestellt werden, und zwar formlos oder förmlich durch Einreichung eines Antrags beim Gericht.

Die Pflicht zur persönlichen Anhörung durch den Richter dient nicht nur dem rechtlichen Gehör, sondern ist unverzichtbarer Bestandteil der richterlichen Sachverhaltsaufklärung (BVerfG 58, 208, 222) und ist u.a. nach Art. 5 Abs. 3 EMRK (EGMR, NJW 2001, 51) zwingend vorgeschrieben.“

Rechtsanwaltskanzlei Recht-Durchsetzen.de
Paulo Dias
Rechtsanwalt & Dipl.-Wirtschaftsjurist (FH)
Georgstraße 48
30159 Hannover
Büro:      0511-2776583
Fax:         0511-314583
Email:     kontakt@recht-durchsetzen.de

Thomas Klein
Pressesprecher
Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag
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