(LNP) Die Zukunft ist bekanntlich ungewiss. Dies gilt heute noch stärker als zu Zeiten von Konrad Adenauer und seiner Feststellung „Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war“. Dennoch lassen sich gewisse Entwicklungen aufzeigen, die die vor der Bundestagswahl allseits verordnete Friedhofsruhe in der Eurozone ablösen werden. Die Wirtschafts- und Finanzlage in der Eurozone ist keineswegs so stabil, wie es derzeit erscheint. Die Eurominister und der neue Bundestag werden sich wahrscheinlich eher, als sie wünschen, mit neuen Finanzierungsproblemen der Programmländer herumschlagen, ebenso wie mit politischen Themen, die den Ausbau der Währungsunion von der derzeitigen Haftungsunion zur Transferunion betreffen.
Die Wirtschafts- und Finanzlage in den Problemländern ist keineswegs so stabil, wie es die Ruhe an den Krisenherden und die vollmundigen Erklärungen der Politiker über das Ende der Eurokrise vorgaukeln. Weiterer Handlungsbedarf zeichnet sich schon jetzt ab.
Für Portugal läuft das das derzeitige Kreditprogramm über 78 Milliarden € Mitte 2014 aus. Gegen Jahresende wird eine Entscheidung über ein zweites Rettungspaket fällig. Es ist ausgeschlossen, dass sich Portugal bereits im nächsten Jahr wieder an den Kapitalmärkten finanzieren kann, zumal das Verfassungsgericht soeben zum zweiten Mal ein Sparprogramm als verfassungswidrig erklärt hat. Der deutsche Steuerzahler wird mit einer weiteren Garantieübernahme zur Kasse gebeten.
Das Gleiche gilt für Griechenland, wie Finanzminister Schäuble bereits hat erkennen lassen. Lediglich die Höhe des – dritten – Rettungspakets steht noch nicht fest. Ebenso wird eine Schuldenerleichterung in Form von Zinssenkungen und Verlängerung der Kreditlaufzeiten unvermeidbar sein, in der Sache also ein Schuldenschnitt, da der Barwert der Kreditforderungen sinkt. Zudem stellen die jüngsten Erfolgsmeldungen des griechischen Finanzministers über den Durchbruch zu gesunden Staatsfinanzen die übliche Mogelpackung dar. Der für die ersten sieben Monate gemeldete sog. Primärüberschuss, d.h. Staatsausgaben ohne Zinsendienst, in Höhe von 2,7 Milliarden € entspricht aufs Jahr hochgerechnet mal gerade 2,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Griechenlands. Die Wissenschaftler des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel haben jedoch berechnet, dass Griechenland, wenn es seine Schuldenquote (Staatsschulden im Verhältnis zum BIP) wenigstens stabilisieren will, einen Primärüberschuss von 14,5 % des BIP bei einem Wirtschaftswachstum von 2 % und von 11 % des BIP bei einem Wachstum von 4 % benötigt (vgl. IfW Schuldenbarometer, Juni 2013).Zudem können die Staatsschulden bekanntlich nur bei einem Überschuss des gesamten Haushalts abgebaut werden, Schulden und Schuldenquote werden also weiter steigen, letztere auf 175 % des BIP. Von einer Rückkehr Griechenlands an die Kapitalmärkte ist das Land noch Lichtjahre entfernt. Es wird weiterhin am Tropf der Rettungsschirme und damit auch des deutschen Steuerzahlers hängen.
Für die drei Krisenstaaten Irland, Slowenien und Zypern hat die kostspielige Bankensanierung nur wenige Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung erlaubt. Slowenien wird in Kürze voraussichtlich als fünftes Problemland ein Hilfsprogramm benötigen. Lediglich in Irland ist nicht auszuschließen, dass es sich ab Mitte 2014 wieder an den Kapitalmärkten finanzieren kann.
Weniger dramatisch stellt sich die Lage noch in den Ländern Spanien, Frankreich und Italien dar. Sie bleiben aber dennoch Risikostaaten wegen zunehmender Reformmüdigkeit und Reformunfähigkeit, was Frankreich angeht. Die permanenten Erfolgsmeldungen der Politiker können wegen des verheerenden Mangels an Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder nicht zum Nennwert genommen werden. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Diese Länder rangieren nach dem neuesten Wettbewerbsindex 2013 des Weltwirtschaftsforums von Davos auf den Plätzen 21 bis 42 von 144 Ländern weltweit und die „Programmländer“ auf den Plätzen 50 bis 96 für Griechenland (wie Gabun und Gambia). Man muss nicht Nobelpreisträger in Ökonomie sein, um zu erkennen, dass sie ohne eine nominelle Wechselkursabwertung, d.h. ohne Austritt aus der Eurozone, zu den wettbewerbsfähigen Ländern auf weltweiter Ebene nie werden aufschließen können.
Auf der politischen Agenda der Minister werden schließlich Themen stehen, die in den letzten Monaten vor der Bundestagswahl noch tabu waren und die nach dem 22. September ihre Renaissance erleben werden.
Grundsätzlich dürfte es sich dabei einmal um Strategien handeln, die Euro-Rettungsschirme ohne strikte wirtschaftspolitische Auflagen anzuzapfen. Die Einführung sog. Eurobonds scheint unter diesem Namen nach der kategorischen Absage von Bundeskanzlerin Merkel am 26. Juni 2012 im Deutschen Bundestag („Keine Eurobonds, solange ich lebe“) wenig Realisierungschancen zu haben, dagegen eher die Einrichtung eines sog. Schuldentilgungsfonds, wie vom Sachverständigenrat, den „Wirtschaftsweisen“, vor einem Jahr vorgeschlagen, allerdings bei strikten Auflagen wie Verpfändung von Gold- und Devisenreserven der Schuldnerländer. Im Unterschied zu Eurobonds sollen alle Schulden über 60 % des BIP in einen Topf geworfen werden um für sie dann gesamtschuldnerisch zu haften, Deutschland im Extremfall zu 100 %. Unmittelbare Folge wären eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit Deutschlands mit entsprechendem Zinsanstieg und Anreize für einzelne Staaten zu einer weniger verantwortungsvollen Finanzpolitik. Derzeit arbeitet bereits eine Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission unter Beteiligung der Euroländer an diesem Konzept. In die gleiche Schublade Haftungsunion wären Vorschläge für eine Aufstockung des Anleihevolumens des permanenten Rettungsschirms ESM sowie die Einführung einer Bankbilanz für ihn zu stecken, mit der sich der Fonds praktisch unbeschränkt Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen könnte.
Die andere Strategie auf der Agenda der Eurominister könnten direkte Kapitalspritzen für Banken sein. Dahinter steckt die perfide Ratio, dass die Finanzmittel dem Bankensektor zufließen und nicht dem öffentlichen Sektor, also wirtschaftspolitische Auflagen nicht zum Zuge kämen und die Staatsschulden nicht erhöht würden. Mit diesem Konzept würden die Hilfen für Banken von den Staatshaushalten entkoppelt werden. Konkret stellt sich die Frage in Kürze bei der endgültigen Entscheidung des Ministerrats über den zweiten Pfeiler der Bankenunion, der Errichtung einer europäischen Agentur unter Leitung der Europäischen Kommission zur Rekapitalisierung bzw. Abwicklung von Banken. Nach den Vorschlägen der Europäischen Kommission sollen durch eine Bankenabgabe der zum Teil noch zu gründenden nationalen Institute 55 Milliarden € in den europäischen Topf fließen. Deutsche Sparer und Bankkunden müssten dann letztlich für die Fehler ausländischer maroder Banken blechen. Inzwischen beansprucht auch die Europäische Zentralbank die Zuständigkeit für diese Agentur.
Im Moment lässt sich noch nicht abschließend voraussagen, welche Giftpfeile unsere Europartner nach der Bundestagswahl tatsächlich aus dem Köder ziehen. In jedem Fall dürfte es sich dabei um eine sehr komplexe Materie handeln, die die meisten Abgeordneten im neuen Bundestag voraussichtlich überfordern würde. Die „Alternative für Deutschland“ tritt dagegen mit ausgesprochenen Experten an, wie dem Parteichef Prof. Lucke und dem Berliner Kandidaten Prof. Starbatty, beides ausgesprochene Fachleute für Eurofragen. Die Verleumdung, bei der „AfD“ handele es sich um eine „Professoren“-Partei, geht ins Leere. Kein vernünftiger Mensch würde auf die Idee kommen – wie es Hans-Olaf Henkel, Ex-Präsident des Verbandes der Deutschen Industrie – neulich so plastisch formuliert hat, bei Zahnschmerzen zum Klempner zu gehen und nicht zum Zahnarzt. Die deutschen Wählerinnen und Wähler sind so vernünftig, am 22. September auf ihren Stimmzetteln das Kreuz an der richtigen Stelle zu machen.
Dr. Wolfgang Glomb
Alternative für Deutschland
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