Startseite BundesländerBerlin Im aktuellen Fokus von Peira, die Piratisierungseffekte ohne Piraten / Ein Gastbeitrag von Christoph Bieber

Im aktuellen Fokus von Peira, die Piratisierungseffekte ohne Piraten / Ein Gastbeitrag von Christoph Bieber

von Frank Baranowski
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(LNP) Allen Unkenrufen zum Trotz kämpfen die Piraten mit einem umfassenden Wahlprogramm und vielfältigen weiteren Aktivitäten um den Einzug in den Deutschen Bundestag. Unabhängig davon, ob der Einzug gelingt, haben die Piraten schon heute ihre Spuren in der deutschen Politik hinterlassen  – und dies nicht nur bei einem ihrer Schlüsselthemen „Datenschutz und Internet“–. Unter dem Titel „Piratisierungseffekte ohne Piraten“ analysiert Christoph Bieber, was die Piraten zur Modernisierung der deutschen Parteienlandschaft bereits beigetragen haben und wie andere Parteien versuchen, darauf zu reagieren.

Vielen galt die durchaus krachende Schlappe der Piratenpartei bei der Landtagswahl in Niedersachsen im Januar als eine Zäsur: ganze 2,1 Prozent der Wählerstimmen gingen an die im Vorjahr so erfolgreichen Newcomer, ein deutlicher Absturz gegenüber den sicheren Parlamentseinzügen in Berlin, dem Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Doch endet damit tatsächlich das Piraten-Projekt? Mit dem Auftritt der „Alternative für Deutschland“ im April stand auch gleich die nächste Neupartei bereit, und die noch vor Jahresfrist als Innovativkraft gefeierten „Polit-Freibeuter“ („Spiegel“, „Handelsblatt“, „Stern“ u.a.) gerieten in den Hintergrund.

Auch ein nüchterner Blick auf die Entwicklung der Piratenpartei jenseits des Hype-Cycle registriert sehr wohl, dass sich das „politische Möglichkeitsfenster“ allmählich wieder schließt: im Superwahljahr und unter dem Eindruck der alles beherrschenden Euro(pa)-Krise fällt es den Piraten inzwischen sehr viel schwerer, sich im medialen Aufmerksamkeitswettbewerb zu behaupten und den Bürgern attraktive Angebote für eine niederschwellige Mitmach-Politik zu vermitteln. Natürlich spielen dabei die vielfältigen innerparteilichen Querelen eine große Rolle, der latente Konflikt zwischen funktionalen „Parteieliten“ und einer bisweilen radikal gleichmacherischen Basis. Auch der – für die künftige Parteiidentität wichtige – Streit um die Notwendigkeit einer Anpassung an den Politik- und Medienbetrieb sowie die Frage nach der Professionalisierung von Organisationsstrukturen wirkt auf viele Beobachter eher abschreckend. Zugleich laufen intern die Experimente mit den Verfahren einer „liquid democracy“ weiter, sind aber auch unter Mitgliedern umstritten und sorgen aufgrund digitaler Stimmenhäufung durch die so genannten „Superdelegierten“ für Kritik – bildet sich im virtuellen Kommunikationsraum nun doch genau jene Hierarchie aus, die mit der Absage an ein Delegiertensystem verhindert werden soll? Und dennoch: trotz all dieser Baustellen tragen die Piraten nach wie vor eine Menge zur digitalen Modernisierung der deutschen Parteienlandschaft bei, ironischer Weise längst nicht mehr nur in den eigenen Reihen, sondern auch bei den so genannten „Altparteien“. Bisweilen gehen die indirekten Wirkungen der Piraten nicht über symbolische Betriebsamkeit hinaus.

Kontakt:
Peira – Gesellschaft für politisches Wagnis e. V.
Rainer Thiem
Bundesallee 119
12161 Berlin
Email: rainer.thiem@peira.org         
Internet: http://www.peira.org

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