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Köditz: Zeuge bringt sächsischen NSU-Ausschuss weiter

(LNP) Zur heutigen Vernehmung des ehemaligen Referatsleiters Rechtsextremismus/-terrorismus im Landesamt für Verfassungsschutz, Herrn Diemaier, erklärt Kerstin Köditz, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im Untersuchungsausschuss „Neonazistische Terrornetzwerke“:

Die Vernehmung des bis Ende 1998 verantwortlichen Beamten im sächsischen Geheimdienst offenbarte erschreckende Mängel in der Arbeitsweise des Amtes. Strukturanalysen der Neonaziszene im Raum Chemnitz und Dresden erfolgten nicht, ebenso unterblieben Netzwerkanalysen bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Neonazigruppierungen in Sachsen und Thüringen. Das ausschließliche Vertrauen auf Quelleninformationen durch Spitzel erwies sich für uns erwartungsgemäß als trügerisch, da die Hemmschwelle zum Verrat von flüchtigen Kameraden als sehr hoch angesetzt werden muss.

Als absolut unverständlich erscheint uns der Umstand, dass der Informationsaustausch mit der sächsischen Polizei als bestenfalls mangelhaft zu bezeichnen ist. Bei einer Beratung in Potsdam im Jahr 1998, an der drei Mitarbeiter des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz teilnahmen und in der es um den Umgang mit den Informationen des V-Mannes „Piato“ alias Carsten Sz. ging, der darüber informiert hatte, dass die drei sich Waffen besorgen und nach einem weiteren Überfall im Ausland abtauchen wollten, akzeptierte der hiesige Dienst widerspruchslos die Vorgaben aus Brandenburg, die Polizei nicht zu informieren, obwohl durch eine Bewaffnung des Trios Gefahr für Leib und Leben von Polizeibeamten entstehen musste.

Die Fragwürdigkeit der Praxis des Einsatzes von V-Leuten wurde dabei eindrucksvoll unterstrichen. Um die Identität eines schwer kriminellen Spitzels zu schützen, wurde das Leben Unbeteiligter gefährdet. Selbst die einfachsten Regeln, wie das Fertigen eines Protokolls dieser Beratung, wurden nicht befolgt. Auch das zuständige Bundesamt für Verfassungsschutz wurde nicht einbezogen. Dem Zeugen Diemaier muss deshalb dafür gedankt werden, dass wenigstens seine persönlichen Aufzeichnungen gefertigt wurden. Es handelt sich um das einzige Dokument bundesweit, dass zu diesem Komplex noch erhalten ist! Problematisch ist allerdings der Umgang mit solchen Schriftstücken.

Die Mitglieder des Ausschusses dürfen sie nur im Geheimschutzraum lesen. In der Sitzung allerdings trägt der Zeuge es öffentlich weitgehend vollständig vor. Die Einstufung von Dokumenten als „vertraulich“ oder „geheim“ durch das Landesamt für Verfassungsschutz erscheint uns somit als willkürlich.

Marcel Braumann
Pressesprecher
Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1
01067 Dresden
Tel.: (0351) 493 5823
Fax: (0351) 496 0384
Mail: Marcel.Braumann@slt.sachsen.de

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