Präzises Ergebnis in Minuten
Uni Siegen und Uni Erlangen-Nürnberg entwickeln ein neues Testverfahren zur Erkennung von Virus-Erkrankungen wie Covid 19
(lnp) Viren sollen dabei auf Biochips gebunden und anschließend mittels Terahertz-Strahlen detektiert werden. Nach zwei Jahren Corona-Pandemie kennen viele Menschen das Dilemma: Covid-Schnelltests für zu Hause sind nicht hundertprozentig zuverlässig. PCR-Tests hingegen sind zwar eindeutig – aber auch viel teurer, zeitintensiver und nur von geschulten Labor-Fachkräften auszuwerten. WissenschaftlerInnen der Universität Siegen arbeiten zusammen mit KollegInnen der Universität Erlangen-Nürnberg an einem neuen Test-Verfahren zur Erkennung von Virus-Erkrankungen wie zum Beispiel Covid 19. Dadurch könnte in einigen Jahren ein Test zur Verfügung stehen, der schon nach wenigen Minuten ein sicheres Ergebnis liefert, der statt im Labor direkt in der Arztpraxis durchgeführt werden kann – und der deutlich günstiger ist als ein PCR-Test.
Die in Siegen entwickelten Biochips sind nur 2,2 Quadratzentimeter groß und bestehen aus einem Glasträger, der mit Gold und Chrom beschichtet ist. Darin eingeätzt sind winzige, ringförmige Strukturen, die wie Antennen funktionieren und die genau die Frequenzbereiche verstärken, die für den Nachweis von gebundenen Biomolekülen wichtig sind.
Viruspartikel durch spezielle Biochips und Terahertz-Strahlen nachweisen
In dem Forschungsprojekt „Matisse“ geht es darum, Viruspartikel mit Hilfe von speziellen Biochips und Terahertz-Strahlen nachzuweisen. „Terahertz-Strahlen können charakteristische Schwingungen in biologisch bedeutsamen Molekülen anregen. So entstehen starke Resonanzen, die von einem Terahertz-Empfänger gemessen werden können“, erklärt die Siegener Forscherin Dr. Anna Wigger die Idee dahinter. Das Team um Projektleiter Prof. Dr. Peter Haring Bolívar möchte auf den in Siegen entwickelten Biochips sogenannte „Fänger-Moleküle“ aufbringen, die exakt zu bestimmten, charakteristischen Strukturen von Viruspartikeln passen und diese auf der Chip-Oberfläche festhalten können. Führt man an dem Chip anschließend eine Terahertz-Messung durch, so verändert sich die Resonanz-Frequenz des Sensors – der gesuchte Virus ließe sich so zweifelsfrei nachweisen.
„Sie können sich das wie bei einer Stimmgabel vorstellen, die einen spezifischen Klang hat. Befestigt man ein kleines Gewicht an der Stimmgabel und schlägt sie erneut an, so verändert sich dieser Klang. Ebenso ändert sich bei unserem Mess-Prinzip die Resonanz-Frequenz, wenn die Terahertz-Strahlen auf einen Chip bzw. Sensor treffen, der ‚beladen‘ ist – bei dem also ein Molekül oder Viruspartikel angedockt hat“, erläutert Anna Wigger. Die Siegener WissenschaftlerInnen arbeiten bereits seit mehreren Jahren an der Methode. Die Analyse von DNA-Proben funktioniert mit dem Verfahren bereits erfolgreich – so lassen sich mit Hilfe von Biochips und Terahertz-Strahlen zum Beispiel Erbkrankheiten erkennen oder das individuelle Krebsrisiko identifizieren.
Bei der Ausweitung des Verfahrens auf die Virus-Erkennung stehen die ForscherInnen vor einigen Herausforderungen, denn bei Viren handelt es sich um komplexere Systeme. Hinzu kommt, dass sie eine wässrige Umgebung benötigen und nicht in getrocknetem Zustand gemessen werden können, wie DNA. „Um auf den Chips eine passende Umgebung für die Viruspartikel herzustellen, bringen wir winzige Kanäle auf dem Sensor auf, durch die wir Flüssigkeit pumpen können“, erklärt Elektrotechniker Yannik Loth, der im Rahmen des Projektes seine Doktorarbeit schreibt. „Da Wasser elektrisch leitend ist, müssen wir für die Chips ein neues, elektromagnetisches Design entwickeln, damit die Sensortechnik weiterhin funktioniert.“
Biochemie: Chips mit passenden Fänger-Molekülen ausstatten
Neben der technischen Chipentwicklung spielt bei dem Projekt auch die Biochemie eine wichtige Rolle: Dabei geht es darum, die Chips mit passenden Fänger-Molekülen auszustatten, um die gewünschten biologischen Strukturen – zum Beispiel Viren – auf dem Sensor zu binden. Statt mit Viren arbeiten die WissenschaftlerInnen dabei zunächst mit sogenannten „Exosomen“. „Das sind zelluläre Strukturen, die Viren im Aufbau stark ähneln, die dabei aber für die Arbeit im Labor ungefährlich sind“, erklärt die Doktorandin und Chemikerin Merle Richter. Exosomen seien darüber hinaus noch aus einem anderen Grund interessant, berichtet Richter: „Sie fungieren als Marker für bestimmte Krebsarten. Wenn es uns im ersten Schritt des Projektes also gelingt, Exosomen auf der Chip-Oberfläche zu binden, ließe sich damit bereits eine Methode zur Krebserkennung entwickeln – ein Bereich, mit dem sich insbesondere unsere KollegInnen in Erlangen-Nürnberg beschäftigen.“
Im zweiten Schritt soll die Methode auch auf Viren erfolgreich angewendet werden. Ziel sei es, eine real einsetzbare Methode zu entwickeln, sagt Anna Wigger: „Bis dahin werden allerdings noch mindestens zehn Jahre vergehen. Wenn es soweit ist, könnte in jeder Arztpraxis ein Gerät stehen, mit dem sich Terahertz-Messungen durchführen lassen. PatientInnen könnten sich vor Ort auf Viruserkrankungen testen lassen und würden innerhalb von Minuten ein präzises Ergebnis erhalten.“
Die beteiligten Partner des Forschungsprojektes „Matisse“
Das Projekt „Matisse“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit über 600.000 Euro gefördert. An der Universität Siegen ist neben der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Peter Haring Bolívar vom Lehrstuhl für Höchstfrequenztechnik und Quantenelektronik auch Prof. Dr. Bhaskar Choubey vom Lehrstuhl für Analoge Schaltungstechnik und bildgebende Sensorsysteme beteiligt, der in erster Linie die technische Chipentwicklung unterstützt. Zu den Partnern gehört außerdem Prof. Dr. Anja Bosserhoff vom Lehrstuhl für Biochemie und Molekulare Medizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren.
Quelle und Bilder: Lehrstuhl für Höchstfrequenztechnik und Quantenelektronik der Universität Siegen, 25.04.2022