8.3 C
New York City
21. November 2024
Berlin

Piratenpartei – Das Experiment kann beginnen / Ein Gastbeitrag von Friedhelm Greis für Peira – Gesellschaft für politisches Wagnis

(LNP) Die Piraten müssen ihre bundes- und landespolitischen Ambitionen vorerst begraben. Ein Comeback ist nicht ausgeschlossen, aber nach Ansicht von Parteiforschern „sehr, sehr schwer“.

Was im Unfragehoch vor anderthalb Jahren noch sehr unwahrscheinlich schien, ist mit dem 22. September 2013 Wirklichkeit geworden: Die Piratenpartei ist bei der Bundestagswahl und sämtlichen Landtagswahlen dieses Jahres bei den Wählern durchgefallen und muss sich vorerst von dem Gedanken verabschieden, als neue bundespolitische Kraft neben den etablierten sechs Parteien wahrgenommen zu werden. Das Politikmärchen, das mit dem Wahlerfolg in Berlin am 18. September 2011 begann, ist damit zu Ende. Ob sich die Piraten wieder neu aufstellen können und in vier Jahren mehr Erfolg haben, hängt davon ab, ob sie ihre strukturellen Probleme in den Griff bekommen.

Für den Absturz der Piraten in der Wählergunst sind viele Faktoren verantwortlich. Der wichtigste dürfte sein, dass es die Partei nicht geschafft hat, die Erwartungen der Bürger in eine neue Art von Politik zu erfüllen. Von dem frischen Wind in der Politik, den sich viele erhofft hatten, ist nichts mehr geblieben. Die internetaffine Kernwählerschaft der Piraten schätzen Politologen auf etwa 2,5 Prozent ein. Die übrigen fünf bis sechs Prozent, die bei den Landtagswahlen in Berlin, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und im Saarland erzielt wurden, stammten vor allem von Protest- oder früheren Nichtwählern. Dass diese Klientel nicht bei der Stange gehalten werden konnte, liegt im Konzept der Piratenpartei selbst begründet. Sie wirbt mit dem Charme des Dilettantischen, Direkten und Undisziplinierten. „Sehr viele in der Bevölkerung halten die Partei schlicht für einen Chaosclub“, sagt der Berliner Politikforscher Oskar Niedermayer zu Golem.de. Zudem sei der anfängliche Medienhype sehr rasch in eine negative Berichterstattung umgeschlagen. Gerade für eine kleinere Partei sei die Medienaufmerksamkeit jedoch sehr wichtig.

Für Niedermayer ist das Scheitern der Piraten im Bund und bei den Landtagswahlen zwar ein „Rückschlag, aber noch lange nicht das Ende“. Wobei sich an dieser Stelle auch die Grundsatzfrage stellt, ob sich die netzpolitische Bewegung mit der Gründung einer politischen Partei nicht das falsche Gefäß gesucht hat. Inzwischen mag es eine Hypothek für netzpolitische Themen sein, dass sie am lautesten von einer Partei vorgetragen werden, die in der Öffentlichkeit vor allem durch interne Querelen von sich reden macht. Allerdings hat der vorübergehende Erfolg der Piraten dafür gesorgt, dass auch die übrigen Parteien das Thema Internet prominenter ins Schaufenster stellen. Der Druck, sich inhaltlich breiter aufzustellen, hat jedoch das Thema Internet fast zur Nebensache werden lassen. In der NSA-Debatte glänzten die Piraten in ihren Statements nicht durch kompetente inhaltliche Analysen, sondern versuchten, die anderen Oppositionsparteien mit schrillem Alarmismus noch zu übertreffen. Für Niedermayer hätte ein Verzicht der Piraten auf eine Parteiorganisation den Vorteil, dass sie „befreit wären von Dingen, in denen sie jetzt drin sind“, sagt Niedermayer. Doch da es nun mal schon viele Funktionäre der Piraten gebe, die beispielsweise in den Ländern von ihren Mandaten lebten, sei es ganz schwierig, „das Rad zurückzudrehen“.

Die jetzige Entwicklung kommt für die Piraten alles andere als überraschend und war schon mit dem Berliner Erfolg erwartet worden. „Wir bieten zu 30 Prozent unsere Inhalte und zu 70 Prozent unser Verfahren an, unser Betriebssystem“, sagte die damalige Politische Geschäftsführerin Marina Weisband im Dezember 2011. Weil dieses Betriebssystem offensichtlich permanent abstürzt oder gar nicht erst bootet, bleiben genau diese 70 Prozent an Wählern inzwischen aus. Weisband war schon damals klar, dass es mit dem Höhenflug der Partei bald vorbei sein könnte: „Wir sind ein Experiment. Und wir machen dieses Experiment nicht. Die deutschen Wähler machen dieses Experiment.“ Die deutschen Wähler haben dieses Experiment mit dem heutigen Sonntag vorerst für beendet erklärt. Nun ist es an den Piraten selbst, neue Experimente mit digitaler Demokratie zu wagen und den Bürgern zu zeigen, wie politische Transparenz und Teilhabe im 21. Jahrhundert wirklich erfolgreich umgesetzt werden kann.

Mehr hier http://peira.org/piratenpartei-das-experiment-kann-beginnen/

Kontakt:
Peira – Gesellschaft für politisches Wagnis e. V.
Rainer Thiem
Bundesallee 119
12161 Berlin
Email: rainer.thiem@peira.org

Related posts

AUSWEITUNG DER PARKRAUMBEWIRTSCHAFTUNG IN SPANDAU GESTOPPT / SPD-Stadtrat lässt seine Pläne auf Druck der CDU fallen

Frank Baranowski

FREIE WÄHLER mit neuem Bundesvorstand / Aiwanger bleibt Vorsitzender – 3 neue Stellvertreter

Frank Baranowski

Wirtschaftsrat der CDU wird 50 Jahre alt

Frank Baranowski