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Schere zwischen arm und reich

(LNP) Die Vorstände des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CDU Rems-Murr und der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) Rems-Murr trafen sich in Schorndorf zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zum aktuellen Thema der Schere zwischen arm und reich in Deutschland. Der Vorsitzende des EAK, David Müller, begrüßte als Referentin die Vorsitzende des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt an der Evangelischen Akademie Bad Boll, Wirtschafts- und Sozialpfarrerin Esther Kuhn-Luz.

Mit dem Armutsbericht der Bundesregierung von November 2012 sei, so Esther Kuhn-Luz, das Thema der Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland wieder deutlicher ins Blickfeld gerückt.  Feststellen lasse sich eine zunehmend ungleiche Verteilung: Das private Vermögen sei zwischen 1992 und 2012 von 4,6 auf 10 Billionen Euro angewachsen. 10% der Bevölkerung hielten 60 % des Vermögens.  50% der Bevölkerung sei  im Wesentlichen ohne Vermögen. 10% der Bevölkerung sei sogar verschuldet.  Während für das obere Einkommenssegment die Lohnentwicklung in den letzten Jahren positiv gewesen sei, müsse man für das untere Segment, unter Berücksichtigung der Inflationsrate, Einbußen feststellen.

Feststellen lasse sich auch, so Esther Kuhn-Luz weiter, dass die westlichen Bundesländer bei der Armutsgefährdung  aufholten.  Insgesamt seien in Deutschland 12,4 Mio. Menschen von Armut bedroht. Dies entspreche rund 15% der Bevölkerung. Sichtbar werde diese Entwicklung beispielsweise an der großen und zunehmenden Zahl von Vesperkirchen und Tafelläden. 1,2 Mio. Beschäftigte in Deutschland seien zusätzlich zu ihren Löhnen auf eine Aufstockung durch öffentliche Leistungen angewiesen.  Insgesamt gebe der Staat rund 11 Milliarden Euro für diese Lohnergänzungen  aus. Es sei beschämend, dass diese Bürger nicht ausreichend für ihre Arbeitsleistung honoriert würden.
Diese Situation verletze das Gerechtigkeitsempfinden vieler Bürger.  Hinzu komme, dass heute angesichts der Finanzkrise auch viele, die nicht zu den Armen zu zählen seien, um ihr Vermögen fürchteten.

Armut sei zum einen eine subjektive Empfindung, zum anderen ein relativer Begriff. Daraus ließen sich verschiedene Definitionen von Armut ableiten.
Armutsgefährdet seien nach einer internationalen Definition Personen, die über weniger als 60% des mittleren Einkommens verfügten. Für Deutschland liege diese Grenze bei 952 Euro pro Monat.

Subjektiv empfänden sich in Deutschland 12 % der Einwohner als arm. Festgemacht werde diese Empfindung daran, was man sich nicht oder nur schwer leisten könne – beispielsweise Miete, Energie und Sozialversicherungsbeiträge, aber auch Möglichkeiten der Mobilität und von Freizeitaktivitäten. Der Mangel an Bildung, der Mangel an Perspektiven und fehlender Lebensmut führten ebenfalls zu Empfindungen der Armut und des Ausgeschlossenseins.
Rund 25 % der Beschäftigten in Deutschland seien im Niedriglohnbereich tätig.  Beispielsweise liege der Stundenlohn im Friseurhandwerk in den neuen Bundesländern bei 3.50 Euro. Aber auch im Ruhrgebiet, das durch den Strukturwandel in der Industrie stark betroffen sei, könne man große Probleme feststellen.  Die Arbeitslosenquote beispielsweise in Dortmund liege bei 24%. Positiv sei andererseits in Deutschland die im Vergleich zu vielen anderen EU-Ländern geringe Jugendarbeitslosigkeit.

„Wem Gott viel anvertraut, von dem wird auch viel verlangt“ fuhr Esther-Kuhn-Luz fort. Wer die Schere zwischen arm und reich schließen wolle, der müsse von den Gutverdienenden mehr fordern.  Dazu könnten nach ihrer Auffassung eine höhere Vermögenssteuer oder eine einmalige Vermögensabgabe zählen.  Auf der anderen Seite könne ein sogenannter zweiter, sozialer Arbeitsmarkt dazu beitragen, Arbeitslosen oder Geringverdienern eine Basis zu bieten, der ihnen nicht nur Selbstwertgefühl und Würde wiedergebe, sondern auch die Chance zur Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt eröffne.
„Die Wirtschaft muss den Menschen dienen, nicht umgekehrt“.  Möglichst viele Menschen müssten die Chance bekommen, sich einzubringen. Deshalb sei auch Bildung sehr wichtig für die Überwindung von Armut. Die sozialethische Verantwortung von Kirchen, Wohlfahrtorganisationen und Parteien müsse sich an gerechter Teilhabe und an solidarischem Handeln orientieren.
In der anschließenden Diskussion wurde die Aufstocker-Regelung als großer Skandal bezeichnet. Öffentliche Auftraggeber beispielsweise müssten sich bei Vergaben für den billigsten Anbieter entscheiden. Bewerber, die auskömmliche Löhne zahlten, würden damit benachteiligt.

Kritisch angemerkt wurde, dass die Armutsdiskussion häufig nur als Neiddebatte geführt werde. Die Frage müsse vielmehr auch lauten, wie es zu einer auseinanderklaffenden Schere zwischen arm und reich kommen könne. Bei zwei Billionen öffentlichen Schulden, die ja in öffentliche Ausgaben geflossen seien, stelle sich die Frage, wo Deutschland reich sei.
Gerechtigkeit in der Bildung, so ein weitere Teilnehmer, dürfe nicht mit Gleichheit verwechselt werden. Nicht jeder sei gleich befähigt. Es gehe im Bildungsbereich darum, jeden möglichst gut entsprechend seinen Fähigkeiten zu fördern.

Deutlich abgelehnt werde die Forderung nach einer Vermögenssteuer. Hingewiesen wurde auf den Vorschlag der CDA, die Bezüge von Vorstandsmitgliedern auf maximal das 50-fache eines durchschnittlichen Jahresverdienstes zu begrenzen.
Der CDA-Kreisvorsitzende Wolfgang Schrodt dankte abschließend Frau Esther Kuhn-Luz für ihre Bereitschaft, aus ihrer Erfahrung als Wirtschafts- und Sozialpfarrerin zu berichten und mit den Vorständen von EAK und CDA Rems-Murr zu diskutieren.

David Müller
Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU Rems-Murr
www.eak-rems-murr.de
Hauptstraße 102
71364 Winnenden

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