11.5 C
New York City
19. Oktober 2024
Sachsen-Anhalt

Stellungnahme der Linksjugend [’solid] / Sachsen-Anhalt zur Abschiebepraxis der (Magdeburger) Behörden

(LNP) Am 30.01.2013 sollte eine jesidische Familie aus der Gemeinschaftsunterkunft Magdeburg-Grusonstraße in einer Nacht- und Nebel-Aktion abgeschoben werden. Die Familie wurde ohne vorherige Ankündigung aus dem Schlaf gerissen. Ihr wurde erst vor Ort das am gleichen Tag ausgestellte Schreiben zur Abschiebung um 8:30 Uhr ausgehändigt. Daraufhin brach die Mutter zusammen und wurde ins Krankenhaus gebracht. Die vier Kinder und ihr Vater sollten trotzdem abgeschoben werden, weswegen der Vater sich nach Aussage der Polizei „aggressiv“ verhielt und ihm Hände und Füße vor den Augen seiner Kinder gefesselt wurden. Während die Familie bereits an einem Berliner Flughafen war, erfuhr sie von dem Selbstmordversuch der Mutter. Sie wollte sich aus Verzweiflung über die Abschiebung die Pulsadern aufschneiden. Daraufhin wurde die Abschiebung gestoppt. Die Familie ist jetzt wieder in Magdeburg.

Währen Politiker*innen von LINKE und Grüne starke Kritik an der Vorgehensweise der Behörden und Beamt*innen üben, verteidigte eine Stadtsprecherin das Vorgehen, da keine Komplikationen zu erwarten gewesen seien – und das obwohl den bisherigen Äußerungen der Behörden zu entnehmen sei, „dass eine psychische Erkrankung der Mutter bekannt war“, so Henriette Quade, asylpolitische Sprecherin der LINKE-Fraktion im Landtag.

Josephine Jahn vom LandessprechInnenrat der Linksjugend [‘solid] Sachsen-Anhalt erklärt hierzu: „Laut den medialen Schilderungen und Äußerungen der Behörden ist anzunehmen, dass bei der Abschiebung der seelischen und körperlichen Verfasstheit der Familienmitglieder, die zum Teil noch minderjährig sind, keinerlei Beachtung geschenkt wurde. Aber nicht nur diese unverhältnismäßige Praxis muss kritisiert werden, sondern die Abschiebung muss vor allem auch aus rechtlichen Überlegungen in Frage gestellt werden.“  So fordern Politiker*innen aus der Landtagsopposition eine Neubewertung des Falls durch die Ausländerbehörde Magdeburg und die Aufklärung der Geschehnisse am Mittwochmorgen. Grünen-Abgeordnete Sören Herbst äußerte hierzu: „Es ist ein Unding, dass die Familie frühmorgens, gewissermaßen aus dem Schlaf heraus, abgeschoben werden soll und darüber offenbar nicht vorher informiert wurde.“ Henriette Quade fordert ebenfalls eine Aufklärung zu dem Fall: „Der Familie wurde so die Möglichkeit zur Vorbereitung und vor allem zur rechtlichen Gegenwehr genommen.“ und  weiter. Die Ausländerbehörde Magdeburg und auch der Innenminister müssen außerdem grundsätzliche Fragen beantworten: Warum lebte die seit 2005 in Deutschland lebende Familie noch immer in einer Gemeinschaftsunterkunft?  Seit 2008 gibt es die Bitte des Innenministeriums, Familien dezentral in Wohnungen unterzubringen. Im November letzten Jahres beschloss der Landtag die dezentrale Unterbringung von Familien und Alleinerziehenden und in besonderen Härtefällen, seit 15. Januar 2013 ist zudem ein entsprechender Erlass des Innenministeriums in Kraft.“

Bei einer neuen Bewertung muss insbesondere die Erkrankung der Mutter, die prekäre Situation der jesidischen Minderheit  in Armenien und die „gelungene Integration“ der vier Kinder in Magdeburg einbezogen werden. Nach geltendem Recht, hätte die Familie unter diesen Umständen gar nicht abgeschoben werden dürfen.

„Wir fordern, die Familie in einem ersten Schritt endlich in einer angemessenen Wohnung unterzubringen und auf einen erneuten Versuch der Abschiebung dauerhaft zu verzichten. Des Weiteren schließen wir uns den Forderungen nach einer breiten Diskussion über das Asylrecht an, die hoffentlich die inakzeptable Asylgesetzgebung des Jahres 1993 komplett auf den Prüfsteins stellt.“ so Dirk Gernhardt, Landesprecher der Linksjugend [‘solid] Sachsen-Anhalt.

Die Linksjugend [‘solid] Sachsen-Anhalt schließt sich der Kritik der Opposition an, kritisiert aber auch die Situation Asylsuchender generell sowie Abschieben als Mittel im Umgang mit „unerwünschten“ Migrant*innen. Es darf keine Rolle spielen, warum sich ein Mensch einen bestimmten Ort zum Leben aussucht. Es dürfen keine (Ausschluss)Kriterien geschaffen werden, die ihm*ihr das gestatten oder verbieten: Bleiberecht für alle und überall! Zudem müssen ALLE Menschen unter menschlichen Bedingungen leben können. Dass in der bisherigen Gesetzgebung eine Unterbringung für asylsuchende Familien und Alleinerziehende in Wohnungen vorgesehen ist, ist nur ein schwacher Trost gegenüber den menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen Asylsuchende meist jahrelang leben müssen, um dann bei ihrer eventuellen Abschiebung wie Verbrecher*innen behandelt zu werden.

No Border, no Nation, fuck deportation!!!

Robert Fietzke
Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit und Mitgliederleben (Jugend)
DIE LINKE. Sachsen-Anhalt
c/o Linksjugend [’solid] Sachsen-Anhalt
Ebendorfer Str. 3
39108 Magdeburg
Tel.: 0391/7324836
E-Mail: jugend@dielinke-lsa.de
Homepage: www.linksjugend-lsa.de

Web-Tipp der Redaktion: http://kino-bremen.socialus.info/

Ähnliche Beiträge

Bundeskongress der Linksjugend in Magdeburg

Frank Baranowski

Türkische Verhältnisse in Frankfurt – oder wie die Polizei das Grundgesetz mit Füßen tritt

Frank Baranowski

Systematik des neuen FAG steht / Kommunale Finanzmasse steigt nächstes Jahr auf 1,6 Milliarden Euro / Schröder: Demografie-Faktor letzte große Baustelle

Frank Baranowski