(LNP) Nach dem Bericht der Jugendhilfeinspektion sieht die Opposition weiteren Aufklärungsbedarf zum Tod des Mädchens Yagmur. CDU, GRÜNE und FDP werden deshalb einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) einrichten. Hierfür ist ein Viertel der Abgeordneten-Stimmen in der Bürgerschaft nötig. Die drei Fraktionen verfügen über 51 von 121 Sitzen im Parlament. Der Ausschuss soll die politischen Verantwortlichkeiten klären und Erkenntnisse zur Verbesserung des Kinderschutzes in Hamburg bringen.
Am 18. Dezember 2013 starb die dreijährige Yagmur aus Billstedt nach erheblichen Misshandlungen ihrer Eltern an schweren inneren Verletzungen. Ursächlich dafür, dass Yagmur zuletzt überhaupt bei ihren gewalttätigen Eltern leben musste, war dem Bericht der Jugendhilfeinspektion zufolge eine Verkettung von Fehlern bei den zuständigen Stellen, die auf Leichtgläubigkeit, schlechten Übergaben, Überlastung, häufigem Zuständigkeitswechsel und Fehleinschätzungen basieren. Trotz vieler Warnhinweise wurde von den zuständigen Mitarbeitern immer wieder falsch reagiert. Die Behörden und Ämter der Stadt Hamburg waren nicht in der Lage, das Leben des kleinen Mädchens zu beschützen. Es scheint, dass die Sensibilität für das Wohlergehen des Kindes abhanden gekommen ist und dadurch die offensichtliche Gefahr, in der sich Yagmur befand, trotz deutlicher Warnungen nicht gesehen wurde.
Das Versagen betrifft alle beteiligten staatlichen Stellen, insbesondere die unter der Leitung, von Detlef Scheele (SPD) stehende Sozialbehörde, die unter der Leitung von Jana Schiedek (SPD) stehende Justizbehörde, die unter Leitung von Michael Neumann (SPD) stehende Innenbehörde sowie die Bezirksämter Eimsbüttel unter Leitung von Thorsten Sevecke (SPD) und Hamburg-Mitte unter Leitung von Andy Grote (SPD).
Die Aufarbeitung der Fehler und Ursachen, die zu Yagmurs Tod führten, dürfen nicht allein der Exekutive überlassen werden, sondern müssen mit den dem Parlament zustehenden Mitteln umfassend aufgeklärt und analysiert werden, um nach den wiederholten schrecklichen Todesfällen von Kindern, die unter staatlicher Obhut standen, endlich die Kinder in unserer Stad besser zu schützen und vor wiederholter Misshandlung und Gewaltanwendung zu bewahren. Im Mittelpunkt der Aufklärung muss neben der individuellen Verantwortung der zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Untersuchung von strukturellen Problemen in erster Linie die politisch-systemische Verantwortung der Fachbehördenspitzen und Bezirksamtsleitungen stehen, da diese die personellen und organisatorischen Rahmenbedingungen vorgeben.
Christoph de Vries, familienpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, erklärt: „Es muss umfassend und schonungslos durch das Parlament aufgearbeitet werden, wie es trotz der hohen Sensibilität durch wiederholte Todesfälle von Kleinkindern in Hamburg zum erneuten Versagen der staatlichen Schutz- und Wächterpflicht kommen konnte. Die öffentlich bekannt gewordenen Versuche der verantwortlichen Bezirksamtsleiter Grote und Sevecke, die Inhalte und Wertungen des Inspektionsberichts im Vorfeld der Veröffentlichung zu ihren Gunsten zu verändern, mehren die Zweifel an einem echten Aufklärungswillen der Senatsbehörden und Ämter. Entscheidend für die Bewertung sind nicht Symbolpolitik und aktionistische Maßnahmen nach dem qualvollen Tod des Mädchens, sondern vielmehr der Einsatz der politisch Verantwortlichen für schutzbedürftige Kinder im Vorwege.
Christiane Blömeke, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion, erklärt: „Die Verantwortung am Tod der kleinen Yagmur wird zwischen den Beteiligten in unerträglicher Weise hin und her geschoben. Statt in seiner Behörde und bei sich selbst nach der politischen Verantwortung für diesen tragischen Fall zu suchen, gibt Sozialsenator Scheele wenig überzeugend den Chefaufklärer, der die Schuld an anderen Stellen sucht. Dieser Fall lässt sehr viele Fragen offen, diese dürfen die Behörden nicht länger alleine beantworten. Wir werden deshalb einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einrichten. Der Kinderschutz gehört in Hamburg jetzt auf den Prüfstand – und zwar schonungslos und ohne Einflussnahme durch den Senat. Unsere parlamentarische Aufgabe ist es aufzuklären, wie es zu den groben Fehlern der Behörden kam, die zum Tod des Mädchens führten. Dabei wird es einerseits um die Abläufe und die Belastung der Jugendämter gehen, ebenso aber um die Verantwortung der Sozialbehörde und die Rolle der Familiengerichte und der Staatsanwaltschaft.“
Finn Ole Ritter, familienpolitischer Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion, erklärt: „Nach dem tragischen Tod der kleinen Yagmur muss ich mir als Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft schon zum zweiten Mal in vier Jahren die Frage stellen: Wie konnte es passieren, dass das Mädchen nicht vor diesem schrecklichen Schicksal bewahrt wurde, obwohl es unter staatlicher Obhut stand? Um diese Frage mit allen ihren vielen Details beantworten zu können, gibt es kein besseres Instrument als den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Er hat Rechte, die denen einer Ermittlungsbehörde ähneln. Er kann nicht nur klären, wie es zu der Fehlentscheidung der Jugendämter gekommen ist, das Kind den Eltern zurückzugeben. Er kann auch aufhellen, warum Jugendämter, Staatsanwaltschaft und Familiengerichte in Hamburg nach wie vor nicht so gut zusammenarbeiten, dass solche schlimmen Todesfälle verhindert werden. Das so weit wie möglich sicher zu stellen, muss unsere Aufgabe sein als Abgeordnete in diesem PUA.“
Jan Dube – Pressesprecher
Bündnis 90 / Die Grünen
Bürgerschaftsfraktion Hamburg
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