(lnp) Neurowissenschaft: Wie sich die Gehirne von Aufschiebern und Machern unterscheiden.
Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. An dieses Motto halten sich nicht alle Leute. Das könnte an zwei bestimmten Hirnregionen liegen.
Die Untersuchungen der ForscherInnen der Ruhr-Universität Bochum
Warum manche Menschen Aufgaben eher vor sich herschieben als sofort zu handeln, haben Forscherinnen und Forscher der Ruhr-Universität Bochum untersucht. Mittels Kernspintomografie identifizierten sie zwei Hirnbereiche, deren Größe und funktionelle Verknüpfung damit zusammenhängt, wie gut eine Person ihre Handlungen kontrollieren kann. Die Ergebnisse berichtet das Team um Caroline Schlüter, Dr. Marlies Pinnow, Prof. Dr. Dr. h. c. Onur Güntürkün und Dr. Erhan Genç von der Arbeitseinheit Biopsychologie in der Zeitschrift Psychological Science vom 17. August 2018.
Zwei Hirnregionen hängen mit Handlungskontrolle zusammen
Die Biopsychologinnen und Biopsychologen untersuchten 264 Frauen und Männer im Kernspintomografen. Sie bestimmten das Volumen einzelner Hirnareale und ihre funktionelle Vernetzung. Außerdem füllten alle Probanden einen Fragebogen aus, mit dem ihre Fähigkeiten zur Handlungskontrolle eingeschätzt wurden.
Menschen mit schlechter Handlungskontrolle hatten eine größere Amygdala.
Außerdem war bei ihnen die funktionelle Verbindung zwischen der Amygdala und dem sogenannten dorsalen anterioren cingulären Kortex (dorsaler ACC) weniger stark ausgeprägt. „Die beiden Hirnregionen sind bereits in früheren Studien mit der Steuerung von Handlungen in Verbindung gebracht worden“, sagt Erhan Genç.
Handlungen bewerten und auswählen
Die Funktion der Amygdala ist es vor allem, eine Situation und ihren jeweiligen Ausgang zu beurteilen und uns vor möglichen negativen Konsequenzen einer Handlung zu warnen. Der dorsale ACC nutzt hingegen Informationen über den potenziellen Ausgang einer Handlung, um Handlungen auszuwählen, die in die Tat umgesetzt werden. Er unterdrückt auch konkurrierende Handlungen und Emotionen, sodass eine ausgewählte Handlung erfolgreich abgeschlossen werden kann.
Ist das Zusammenspiel zwischen Amygdala und dorsalem ACC gestört, kann die Handlungskontrolle nicht mehr erfolgreich ausgeführt werden, so die Theorie der Forscherinnen und Forscher. „Menschen mit höherem Amygdala-Volumen könnten eine größere Furcht vor den negativen Konsequenzen einer Handlung haben – sie zögern und schieben Dinge auf“, vermutet Erhan Genç. „Die geringe funktionelle Kopplung zwischen der Amygdala und dem dorsalen ACC könnte diesen Effekt weiter verstärken, indem störende negative Emotionen und Handlungsalternativen unzureichend reguliert werden.“
Trainierbar oder nicht?
Künftige Studien sollen zeigen, ob die unterschiedlich gut ausgeprägte Handlungskontrolle durch spezifische Trainings oder Hirnstimulation verändert werden kann. „Obwohl die individuellen Unterschiede in der Fähigkeit zur Handlungskontrolle einen großen Einfluss auf unseren persönlichen und beruflichen Erfolg sowie unsere psychische und physische Gesundheit haben, sind ihre neuronalen Grundlagen bisher nur wenig erforscht“, sagt Caroline Schlüter, die sich dem Thema in ihrer Promotion widmet.
Förderung
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die Arbeiten im Rahmen der Grants mit den Nummern GU 227/16-1 und GE 2777/2-1 sowie im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1280. Weitere Unterstützung kam vom Mercator Research Center Ruhr durch den Grant An-2015-0044.
Originalveröffentlichung
Caroline Schlüter, Christoph Fraenz, Marlies Pinnow, Patrick Friedrich, Onur Güntürkün, and Erhan Genç: The structural and functional signature of action control, in: Psychological Science, 2018, DOI: 10.1177/0956797618779380
Caroline Schlüter
Arbeitseinheit Biopsychologie
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 21775
E-Mail: caroline.schlueter@rub.de
Quelle: Pressemitteilung der Ruhr-Universität Bochum vom 21. August 2018.
Bildquelle: © RUB, Marquard